Wenn die Temperaturen so langsam aber sicher purzeln und die Abende länger werden, liegen Steppdecken, Wollsocken oder Strickmützen wieder hoch im Kurs. Da mögen es viele kuschelig. Im östlichen Landkreis Neustadt an der Waldnaab gibt es dafür ganz besondere Natur-Wollprodukte.
Kurz nach der Stelle in Reinhardsrieth bei Waidhaus, wo der kleine Raunetbach entspringt, um nach knapp zehn Kilometern in die Pfreimd zu münden, trifft man auf Tiere, mit denen man so in der Nordoberpfalz nicht unbedingt gerechnet hätte. Djego schnuppert vorsichtig am taufeuchten Gras, reißt einen ordentlichen Schopf ab. Erhobenen Hauptes mampft er die Halme und glupscht interessiert in Richtung der normalerweise ruhigen Straße. Der junge Hengst ist eines von 13 Alpakas, die hier bei Birgit und Markus Sommer zuhause sind.
Die Nutztiere zählen zu den ältesten ihrer Art: Schon die Inkas haben sie zur Fasergewinnung vor mehreren tausend Jahren domestiziert. Ursprünglich stammen sie aus Gebirgsregionen in Südamerika, genauer gesagt aus dem heutigen Peru, Bolivien und Chile. Wie beispielsweise auch Lamas gehören die Vierbeiner zur Familie der Neuweltkameliden und sind relativ flexible und robuste Tiere, die es gewohnt sind, in Bergregionen mit karger Vegetation zurechtzukommen. Aber auch in unseren Breiten fühlen sich die Weidetiere wohl. Nur im Sommer brauchen sie genügend Schattenplätzchen, damit es ihnen mit dem dicken Fell nicht zu heiß wird. Das Scheren dient also auch dem Tierwohl.
Die Zucht und Pflege war für Markus Sommer anfangs nur ein Hobby. Die Faszination
packte den ehemaligen Zerspannungsmechaniker bei einem Besuch im Tierpark Gleitsbachtal bei Irchenrieth vor über 12 Jahren. „Die Tiere sind sehr lieb und einfach zu halten; sie bereiten einem nicht allzu viel Arbeit“, blickt Sommer zurück. Beim Versuch, die eigene Alpaka-Wolle maschinell verarbeiten zu lassen, stieß der 44Jährige auf lange Wartezeiten, was ihn dazu bewegte, mit der Idee einer eigenen Spinnerei zu spielen – aus seiner Sicht eine echte Markt-
lücke: „In Deutschland gibt es sowas vielleicht drei Mal.“ 2016 hing er seinen Job schließlich an den Nagel und wagte den Schritt in die Selbstständigkeit. Heute betreibt er eine kleine Auftragsspinnerei.
Die notwendigen technischen Anlagen importierte Sommer aus Kanada. „Dort gibt es weltweit die einzige Firma, die sowas herstellt.“ Der Monteur blieb ganze fünf Tage für den Aufbau bei den Sommers und erklärte ausführlich die Bedienung – auf Englisch: „Wir haben uns da wirklich mit Händen und Füßen verständigt.“ Nach der Installation probierte das Paar selbstständig, das erste eigene Garn zu spinnen. Schritt für Schritt wurden die Ergebnisse besser. Nach zehn Wochen besuchte der Kanadier den Betrieb erneut, um den ein oder anderen Handgriff zu korrigieren und neue Tipps zu geben. Mittlerweile sind die beiden echte Profis.
Auf dem hölzernen Schreibtisch in der Maschinenhalle liegt ein handschriftlicher Auftragszettel. Die Verarbeitung von externer Rohwolle ist die Haupt-Einnahmequelle des Betriebes. Besonders begehrt sind jedoch diejenigen Produkte, die aus der eigenen Alpaka-Wolle in liebevoller Handarbeit hergestellt werden. Rund 26 Kilogramm Rohwolle – durchschnittlich 2 Kilo pro Tier – scheren die beiden im Frühsommer zur Schneidesaison. Nach der Reinigung verarbeitet die Webemaschine den Schnitt in 12 Arbeitsvorgängen zur fertigen Wolle, mit der Birgit Sommer die unterschiedlichsten Strickprodukte anfertigt. Die Woll-Fasern sind innen hohl und besitzen damit eine einmalige Thermodynamik. Alpaka Wolle ist aber mehr als einfach nur wärmend: Schweiß wird von den Fasern besonders gut aufgenommen. Das sorgt für Tragekomfort – vor allem bei Socken – und schützt vor unangenehmen Gerüchen. Durch den geringen Anteil an Wollfett besitzt die Wolle eine antibakterielle Wirkung und ist besonders für Allergiker eine gute Wahl.