Nicht nur Alpakas „to go“

Gernland10-Alpakas

Sie sind wahre Herzensbrecher. Ihre superflauschige Erscheinung, ihre großen, treu blickenden Augen und ihre sanfte Ausstrahlung machen sie zu beliebten Einwanderern. Ursprünglich stammen die Kamele ohne Höcker aus den Anden, einer südamerikanischen Gebirgskette. Auch das Herz von Evi Bäumler-Scheinkönig schlägt für die exotischen Vierbeiner: die Alpakas. 

Zusammen mit ihrem siebenköpfigen tierischen Team betreut sie heute auf beruhigende Art und Weise Menschen, die unter verschiedensten Beeinträchtigungen leiden.

„Als ich vor geraumer Zeit durch den Besuch bei meiner Schwiegermutter die nachbarschaftliche Alpaka-Züchterin kennenlernte, war es Liebe auf den ersten Blick. Ich erinnere mich noch genau, was damals in mir vorging, als ich inmitten der Alpaka-Herde stand und sehr schnell zur Ruhe kam. Es löste in mir eine unbeschreibliche Erdung aus, die von den Tieren ausging. Weil mir dieses Gefühl so gut tat, nahm ich danach an einigen Alpaka-Wanderungen teil“, denkt Evi gerne an das erste flauschige Kennenlernen zurück.

Dass sich die Liebe auf den ersten Blick in einen Blick in die Zukunft verwandelte, verdankt sie auch ihrem Mann Manuel. „In meiner zurückliegenden Elternzeit spielte ich immer wieder mit dem Gedanken, meinen Beruf als Erzieherin und Heilpädagogin mit der Wirkung von Tieren zu kombinieren. Diese Idee unterstützte mein Partner vollends und so entschlossen wir uns dazu, den leerstehenden Pferdestall mit drei Alpakas wieder zu beleben. Anfangs überlegten wir uns eine klassische Ausrichtung mit Alpaka-Wanderungen. Der Umgang mit den Tieren ist mir persönlich nicht schwer gefallen. Meine Mutter stammt aus einem Bauernhof und ich selbst durfte als Kind mit Pferden, Hasen und einem Hund aufwachsen“, erklärt die lebenslustige Mama von vier Jungen.

Durch die Wanderungen erkannte die Pädagogin die einzigartige Wirkung, die von den zotteligen Tieren auf viele Menschen übergeht. Dennoch war die Idee, Alpakas gezielt für therapeutische Zwecke einzusetzen, etwas Neuartiges. Überwiegend wird hierfür heutzutage mit Hunden oder Pferden gearbeitet, die sich bestens für diese Zwecke trainieren lassen. „Mein Bestreben und Wunsch nach meiner zwanzigjährigen Berufstätigkeit ist es, Kindern zu helfen, die mehr Unterstützung brauchen als andere: Kinder, die mit Beeinträchtigungen, mit Verhaltensauffälligkeiten und motorischen oder emotionalen Problemen zu kämpfen haben. Anfangs bestand die Herausforderung darin, die Verknüpfung zu den Tieren herzustellen und diese auch dahingehend zu schulen, therapeutische Effekte zu erzielen. Nicht jedes Alpaka ist dafür geeignet, viele sind scheu. Es muss besonders der Charakter und die Offenheit des Tieres passen. Wenn zum Beispiel ein Kind mit ADHS-Syndrom unbedacht und impulsiv ein Alpaka berührt, wird dieses genauso impulsiv aufgrund seines Fluchtreflexes zurückweichen. Dieses Nähe-Distanz-Verhalten ist letztendlich für das Kind sehr lehrreich“, taucht die „Alpaka-Flüsterin“ in ihren Alltag ein.

Gerne würde Evi jedem Kind die Möglichkeit bieten, sich einem ihrer Tiere anzuvertrauen, um daraus Hoffnung und Kraft zu schöpfen. Leider werden die Therapiezeiten mit Hilfe der tiergestützten Pädagogik von den Krankenkassen nur für Kinder mit einer Pflegestufe übernommen. „Normalerweise plane ich in Absprache mit den Eltern oder der betreuenden Einrichtung des Kindes sechs Treffen ein, die jeweils etwa 45 Minuten dauern. Vorab findet allerdings ein klassisches Kennenlernen statt. Kind und Tier müssen sich quasi „beschnuppern“. Wenn die Chemie passt, stellen wir gemeinsam einen Behandlungsplan auf. Der Fokus ist dabei aber immer auf das gegenseitige Vertrauen gerichtet. Das Spannende daran ist, dass wir im Dreier-Team arbeiten: das Kind, das Tier und ich. Anfangs weiß man nie, wohin der Weg führt, was sehr interessant ist. Was sich aber immer schnell heraus kristallisiert, ist, dass die Kinder diese 45 Minuten komplett bei sich sind. Die Ausstrahlung der Tiere und deren unterschwelliger Einfluss auf den Geist und die Seele sind beeindruckend. Die Kinder und Jugendlichen werden von ihnen völlig unvoreingenommen und wertungsfrei akzeptiert. Sie registrieren zwar Auffälligkeiten, die von einem Menschen ausgehen, aber nehmen ihn ohne großes Aufsehen an.

Unterstützt wird das wollige Therapie-Team von amerikanischen Mini-Eseln, die schon bei ihrem Anblick zum Kuscheln einladen. „Es sind die kleinsten Esel, die es überhaupt gibt und Kinderaugen zum Leuchten bringen. Wir haben sie extra von einem Züchter aus Hamburg zu uns geholt, um auch solchen Kindern zu helfen, die mehr Bedarf an „Knuddel-Einheiten“ haben. Natürlich finden auch Esel-Wanderungen statt, die sich  wunderbar mit Events wie „Wandern bis zum Lagerfeuer“ oder „Brotzeit-Touren“ verknüpfen lassen. Der Spaß bleibt dabei sicher nicht auf der Strecke.

Mobil ins Seniorenheim

Wenn sie nicht zu Evi kommen können, kommt Evi zu ihnen! Dass Alpakas Gefühle freisetzen können, beweist alleine schon so manche Freudenträne, die sich bei ihrem Besuch im Seniorenheim den Weg über eine Wange sucht. „Wir haben zwei Alpakas, die sich besonders für die Zusammenkünfte mit älteren Menschen eignen. Beide lassen sich im Anhänger gerne mit auf die Reise nehmen. Besonders an Demenz erkrankte, ältere Personen reagieren positiv auf die Tiere. Erinnerungen an vergangene Tage – wie an die eigene Katze oder an einst gehaltene Kühe – kehren in die Gegenwart zurück. Wenn Pflegekräfte nach meinen Besuchen positive Rückmeldungen geben, dann erfüllt mich das voll und ganz“, erzählt Evi stolz von ihren therapeutischen Erfolgen.

Neben all der Arbeit steht für die Heilpädagogin aber immer das Tierwohl ihrer Schützlinge an erster Stelle. So weiß sie genau, wenn ein Tier selbst einen schlechten Tag hat und nicht für die Arbeit eingesetzt werden kann oder eine Auszeit benötigt. Wer sich ein Stückchen Alpaka-Geruch nach Hause holen möchte, kann sich gerne in Evis Hofladen bedienen, um sich mit herrlich aromatisierten Alpaka-Seifen zu verwöhnen oder wollige Naturprodukte zu erwerben.

Wir sind uns sicher, dass alle Wege, die Evi mit ihren Alpakas geht, mitten in den Herzen enden.