Es wird geschnitten, geschnitzt, gefeilt, geölt und gefräst, dass es eine wahre Freude ist. Wer diese imposante Freude verbreitet, sind die Grafenwöhrer Schnitzer. Bei ihnen ist raues Holz in feinsten Händen.
Wer kennt nicht das Sprichwort „Wie der Herr, so`s Gescherr“? Dass die Schnitzer die „Herren“ über das Holz sind und das Holz sich liebend gerne von ihren Künstlerhänden zurechtschnitzen lässt, spiegelt sich in den einzigartigen Skulpturen wider. Wir durften die beiden „Originale“ der Schnitzergemeinschaft Grafenwöhr treffen.
Reinhold Gietl, der Sprecher der Gemeinschaft, denkt an die Geburtsstunde der Grafenwöhrer Schnitzer zurück: „Im Jahr 1994 präsentierte die Pleysteiner Schnitzergemeinschaft ihre herausragenden Krippen bei einer Sonderausstellung im Oberpfälzer Kultur- und Militärmuseum in Grafenwöhr. Der Anblick der Figuren traf bei einigen Einwohnern mitten ins Herz und kurzum fand sich eine kleine Gruppe aus elf Neugierigen zusammen, die dieses Handwerk gerne selbst erlernen wollten. Einer davon war ich, und glücklicherweise konnten wir Hermann Schneider davon überzeugen, sein Wissen an uns mittels eines VHS-Kurses weiterzugeben. An den acht Seminarabenden haben wir, zunächst alle Individualisten, uns gemeinsam auf das Neue eingelassen, um uns von der Liebe zum Schnitzen anstecken zu lassen.“
Manfred Stahl, der sich vor 20 Jahren ebenfalls der Gruppe anschloss, möchte keinen Winter missen, in denen die filigranen Figuren entstehen. „Diesen Herbst werden wir aus rechtlichen Gründen unser Miteinander in einen Verein umwandeln. Insgesamt sind etwa 50 Mitglieder gelistet, wovon zwischen 15 und 20 Aktive sind, die regelmäßig schnitzen. Man muss jedoch erwähnen, dass wir uns immer nur in den Winterhalbjahren treffen. Würde man im Sommer schnitzen, hätte man eher das Gefühl, bei 30 Grad Glühwein zu trinken.“
Früher waren es die Bauern, die sich in den ruhigen und kalten Monaten zum „Hutzagäih“ trafen. Damit meinte man das einst gepflegte gemeinsame Beisammensitzen, Plaudern und Essen – fern einer Welt mit Fernsehen oder Social Media. Nebenbei wurden oft Arbeiten wie das Besenbinden oder das Reparieren von Arbeitsgeräten erledigt. Die Landwirte stellten aus Holz neue Zähne für ihre Rechen her und durch den täglichen Umgang mit dem Material hatten viele von ihnen ein gutes Geschick fürs Schnitzen, was gerne neben dem Plaudern verrichtet wurde.
„Linde, Seidenföhre und Zirbelkiefer sind die Holzarten, mit denen wir bevorzugt arbeiten. Die jüngsten unserer Teilnehmer sind unter zehn Jahren alt. Man muss bedenken, dass wir mit sehr scharfen Messern hantieren, sogar schärfer als die von Metzgern.
Das Holz muss geschnitten werden können, wie wenn man ein Stück Butter schneidet. Daher ist das Erste, was gelernt wird, dass man richtig mit den Messern umgeht, wie man sie schärft und wie man sie analog zur Maserung des Holzes ansetzt“, lässt uns Manfred Stahl wissen. Seit inzwischen über 30 Jahren treffen sich die weiblichen und männlichen Gleichgesinnten jeden Donnerstag von 18 bis etwa 21 Uhr in den Räumlichkeiten der Grafenwöhrer Volkshochschule zum Werkeln. Sie sind stolz darauf, dass ihr guter Ruf Schnitzfreunde aus allen Himmelsrichtungen zu diesen Abenden anzieht. „Unser ältestes Mitglied ist mit 95 Jahren zwar nicht ganz so alt wie unsere Lindenbäume, aber mindestens so tief wie ein Birnbaum mit unserer Gemeinschaft verwurzelt“, wirft Reinhold Gietl ein.
„Natürlich kommt es auch auf die Qualität des Holzes an, etwas Schönes daraus entstehen lassen zu können. Aber am Wichtigsten sind die Leidenschaft und das „Kopfkino“ der Holzkünstler. Man muss dafür aufgeschlossen sein, von Profis und auch vom Holz zu lernen. Jeder von uns muss sich sein persönliches Wissen aneignen. Man macht seine ersten, fortlaufenden Erfahrungen und sollte von denen lernen, die noch mehr Erfahrungen gemacht haben.
Wie gesagt, hat uns seinerzeit Hermann Schneider in das Basiswissen eingeführt. Später wurden wir durch den leider schon verstorbenen Domsteinmetz und Holzbildhauer Jürgen Wimmer dafür sensibilisiert, wie man aus dem Holz Details herausarbeitet. Auch der ebenfalls bereits verstorbene Schnitzprofi Sepp Troidl hat uns mit wertvollen Ratschlägen unterstützt. Und weil es eben auf die guten Lehrmeister ankommt, gönnen wir uns jedes Jahr eine besondere Schulung. Gemeinsam besuchen wir für einige Tage die Schnitzschule Elbigenalp, eine österreichische Fachschule für Kunsthandwerk und Design, um uns sowohl theoretisch als auch praktisch fortzubilden“, erklärt das Schnitz-Duo.
Den Grafenwöhrer Künstlern ist es wichtig, die Reise zur vollendeten Figur mit rohen Holzklötzen zu beginnen. Vorher zugesägte Skulpturen findet man in ihren Schaffensräumen nicht. „Wenn man zu schnitzen beginnt, muss man geistig auch aus dem „Hochgeschwindigkeitszug des Alltags“ aussteigen. Ein hastiges Arbeiten ist hier nicht möglich. Man braucht eine gewisse Stimmung im Kopf und auch in den Händen. Ein Ausrutscher lässt sich selten wieder reparieren, ohne dass der Schnitzer auffällt. So ist es für mich ein Hobby geworden, dass mich zur Ruhe kommen lässt und mich erdet“, gibt Reinhold Dietl, der eigentlich hauptberuflich Werksleiter eines oberpfälzer Glas-Werkes ist, offen zu. Gerne lassen sich die Könner auf die Finger schauen. Für Märkte und diverse Veranstaltungen werden die „Holzveredler“ oft als „Live-Event“ gebucht. Mittlerweile sind sie Profis, wenn es darum geht, vor Publikum mit scharfen Klingen zu hantieren. Wenn man Glück hat, kann man hier auch einige ihrer Schätze käuflich erwerben. Dabei handelt es sich nicht nur um sakrale Dinge wie Kreuze oder Krippenfiguren, sondern auch um Gebrauchsgegenstände für den Alltag wie Holzschalen oder so manchen Hingucker für den heimischen Garten. Wer aber etwas ganz Besonderes sucht, der findet dies sicherlich in den kleinen aufgeschnittenen Walnusshälften, die Miniatur-Krippen beherbergen. Diese werden von den Schnitzern mit Hilfe von Lupen angefertigt. Unsere Reise in Grafenwöhr endet nun mit vielen bleibenden Eindrücken – und etwas Holzspäne im Schuh.