Welche sehnsüchtige Schwiegermutter träumt nicht von einem adrett gekleideten jungen Herren, der bestenfalls noch das Tanzbein schwingen kann?
In Floß dürften diese Träume wahr werden. Dort gibt es sie nämlich noch: ledige Männer – bekleidet mit langem, schwarzem Frack, weißem Hemd, Fliege und dem ehrenwertesten Schmuckstück eines jeden Gentlemans, einem Zylinder. Wir durften zwei dieser fast ausgestorbenen Spezies kennenlernen und einiges über ihren „Dress-Code“ erfahren.
Sowohl Noah Lugert, erster Vorsitzender der Burschengesellschaft Cylinder-Club Floß 1889 e.V., als auch Lorenz Kraus, seines Zeichens zweiter Vorsitzender, sind begnadete Allrounder, wenn es darum geht, das eigene Privat- und Vereinsleben wortwörtlich unter einen Hut zu bringen. Auch wenn der Club dieses Jahr bereits sein 135-jähriges Bestehen feiert, handelt es sich dabei keineswegs um eine „angestaubte Gesellschaft“.
Die Historie des Cylinder-Clubs Floß reicht weit zurück. „Ganz früher war es so, dass auf Banketten oder Bällen nur Vereine das Tanzrecht hatten. Das Protokoll dieser Veranstaltungen schrieb vor, dass zum Tanz „ausgerufen“ werden musste. Dazu traten die Floßer Burschen und Kaufmannssöhne mit weißem Hemd, Fliege und Zylinder gekleidet auf, um dann vom Tanzmeister im Verbund zum Tanz „ausgerufen“ zu werden. Die ländliche Jugend um den Markt Floß herum formierte sich namentlich als „Burschenverein“. Meistens waren die Mitglieder des Cylinder-Clubs katholisch und die des Burschenvereins evangelisch“, erklärt Noah den Ursprung des heute in der Region einzigartigen Männerbunds.
Stilbewusst wie die Floßer Herren scheinbar schon immer waren, durfte später die neueste Modeerscheinung zurzeit der Jahrhundertwende natürlich nicht zum perfekten Tanzoutfit fehlen – und so fand der Frack seinen Kleiderbügel im Floßer Schrank. „Unsere Vereinstracht ist nach wie vor ein Hingucker. Es ist keinesfalls ein Faschingskostüm, sondern ein klassisches Erscheinungsbild des Mannes, der seinerzeit die Damen zum Tanz ausführte“, wirft Klaus ein. „Allerdings trügt der Schein bei unseren Mitgliedern, wenn es darum geht, im Takt über das Parkett zu schweben, denn anders als unsere Urväter haben unsere derzeit über 30 Mitglieder nur wenig Polka im Blut“, geben beide Herren lachend zu.
Es sei gar nicht so einfach, sich zu diesem besonderen Männerclan zählen zu dürfen, lässt uns Noah wissen. „Viele werden auf unseren Club durch Freunde aufmerksam. Allerdings müssen wir unser weißes Hemd sehr oft durch einen Blaumann ersetzen, weil besonders zur „Kirwa-Zeit“ enorm viel Arbeit auf uns zukommt. Es muss einem schon bewusst sein, dass man als Mitglied einiges zu tun hat.
Zuerst muss „Mann“ sich ein Jahr lang als sogenannter Anwärter beweisen, währenddessen es viel Geselligkeit und Engagement in den Verein einzubringen gilt.
Ende November findet dann eine Generalversammlung statt. Hier wird abgestimmt, ob der jeweilige Anwärter aufgenommen wird oder nicht. Das alte Aufnahmeritual gibt vor, dass sich der Auserwählte auf einen Tisch stellt und einen Bierkrug im Idealfall in nur einem Zuge leert. Natürlich ist das aber eine rein freiwillige Sache“, gibt Lorenz mit Nachdruck preis.
Laut der Satzung ist der Cylinder-Club nach wie vor ein reiner Junggesellenverein. Selbstverständlich dürfen an den im 14-tägigen Rhythmus stattfindenden Treffen auch die Freundinnen teilnehmen, nicht aber an den Generalversammlungen.
„Mitglied ist man, solange man ein Junggeselle ist. Heiratet ein Kamerad, scheidet er mit seinem Ja-Wort aus dem Cylinder-Club zwangsläufig aus. Als besonderes Abschiedsgeschenk überreichen wir dann eine Ausscheidungsurkunde und einen sehr wertvollen neuen Hochzeits-Zylinder im Wert von 800 Euro. Die meisten werden spätestens dann sentimental, wenn wir gemeinsam unseren Clubruf zur Gratulation schmettern: „Club-Kameraden Achtung! Oan Meder affe, oan Meder owe, oan Meder viire, oan Meder zruck!“ (Einen Meter hinauf, einen Meter hinunter, einen Meter nach vorne, einen Meter zurück), plaudert Noah spitzbübisch aus. Ungeklärt ist, ob einige der Herrschaften aufgrund dessen ihr „Ja, ich will“ nicht noch etwas hinauszögern. Dazu wollten beide Männer öffentlich keine Auskunft geben.
Überregional bekannt wurde der Cylinder-Club durch seinen sehr beliebten Rosenmontags-Ball zur Faschingszeit, später erheiterte er mittels witziger Comedy-Bankette viele Gemüter. Wer Einblick in die Chronik des Vereins hat, erkennt die Feierlaune der jungen Männer und deren Bemühen, das Floßer Landleben unterhaltsam zu gestalten. Einen besonders lauten Applaus ernten sie als Hauptorganisatoren der weit über die Landkreisgrenzen hinaus beliebten „Floßer Kirwa“, die erstmalig im Jahr 1971 in der sogenannten „Chipsi-Halle“ stattfand. Rund neunzig Helfer arbeiten mit vereinten Kräften an dem reibungslosen Ablauf dieses Kult-Events.
„Vor der Kirwa ist nach der Kirwa. Es müssen vorab die Bands, das Essen und die Getränke organisiert und natürlich das große Zelt aufgebaut werden. Neben der körperlichen Arbeit ist es auch eine spannende Herausforderung, diverse Extraportionen Spaß für unsere Gäste einzuplanen. Sei es, dass wir Specials wie letztmalig den „Rock-Montag“ einführten oder dass wir uns Gedanken um die Innengestaltung des Zeltes machen. Die größte Schwierigkeit ist es aber jedes Mal, die unzähligen Besuchermassen zu bewältigen. Wir werden teilweise buchstäblich überrannt – was wir allerdings auch als Bestätigung unserer Bemühungen ansehen. Alleine zum Frühschoppen am Kirwa-Montag verbuchen wir mehr Gäste als Floß Einwohner hat“, weiht uns Lorenz als erfahrener Kirwa-Bursch in die sogenannte fünfte Floßer Jahreszeit ein. Das heute jeder Verein ein Stück weit modern sein und viel Öffentlichkeitsarbeit leisten muss, stellt für beide Vorstände die Grundbasis dar.
Wir konnten ihre große Liebe zum Vereinsleben spüren, die einerseits in der Tradition verwurzelt ist, aber andererseits auch mit dem Puls der Zeit tickt. Eines aber wäre aus Sicht künftiger Schwiegermütter dennoch sicherlich wünschenswert: ein flottes Tanzbein zur „Masskrug-Polka“. Lassen wir uns überraschen!