Weiß-Blaues Abwehr-Kommando

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Von wegen strenge Abwehrhaltung! Herzlicher kann man kaum willkommen geheißen werden – und das ausgerechnet bei der Historisch Königlich Bayerischen Bürgerwehr Neustadt a. d. Waldnaab. Wir durften diese ganz besondere Truppe von Uniformträgern kennenlernen, die zwar scharf bewaffnet, aber friedvoller nicht sein könnten. Feldwebel und stellvertretender Kommandant Helmut Fukerider lud uns auf eine Zeitreise in eine längst vergangene, stürmische Ära ein.

Er ist einer der Gründungsmitglieder, der im Jahr 1982 die einstige Bürgerwehr wiederbelebte. „Die Idee entstand im Zuge der damaligen 750-Jahr-Feier der Stadt Neustadt an der Waldnaab. Es bestand seitens des Bürgermeisters und der Stadträte der Wunsch, dass sich die Neustädter Vereine an dem feierlichen Festzug durch die Stadt beteiligen sollten. Unser ehemaliger erster Stadthauptmann Ludwig Fritsch hatte einst unseren Faschingsverein mitbegründet, aus dem sich dann unsere Truppe heraus entwickelte. Seit über 30 Jahren ist unsere Bürgerwehr jetzt schon ein eigenständiger Verein. Damals starteten wir mit dreizehn Mitgliedern und sind stolz darauf, heute eine vierundzwanzig Männer starke Truppe zählen zu können.“

Rückblick an die Front

„Aus historischen Büchern lässt sich erschließen, dass bereits im Jahr 1538 die Dienste der Wachmänner, also der Bürgerwehr, in Anspruch genommen wurden. Sie standen unter der Herrschaft mehrerer Fürsten, am längsten jedoch unter dem Adelsgeschlecht derer von Lobkowitz. Die tapferen Männer waren seinerzeit an den Stadttoren stationiert und nahmen wichtige Aufgaben wahr, die heute von Polizei, Feuerwehren oder Sanitätsdiensten ausgeführt werden. 1807 wurde die Bürgerwehr vom Königreich Bayern übernommen und blieb bis 1869 aktiv. Am 21. Dezember des Jahres wurden auf Erlass Königs Ludwig II. von Bayern, die Bürgerwehren aufgelöst. Leider liegt uns keine Überlieferung mehr vor, mit wie vielen Männern die Sicherheit der Stadt gewährleistet wurde“, gibt uns Feldwebel Herrmann Schmid Auskunft, der ebenfalls seit der Gründung des Vereins „dient“.

Königlich Bayerische Garderobe

Die heutige Uniform der Neustädter Bürgerwehr zeigt sich in der Originalnachbildung aus der Zeit der Königlich Bayerischen Herrschaft ab dem Jahr 1807. „Wir haben unsere Uniformen anhand der vorhandenen alten Chroniken von 1923 nachschneidern lassen. Es ist uns wichtig, dass wir authentisch auftreten. Neben der Uniformierung sind wir auch berechtigt, scharfes Geschütz in Form von Schusswaffen zu tragen. Wir sind mit einem sogenannten „Springfield 1861 Perkussions-Dienstgewehr im Kaliber 58“ und einem Infanteriesäbel ausgestattet. Verpflichtend ist, dass wir einmal jährlich ein Schießtraining absolvieren. Es muss ein sogenannter Nachweis für die Landesverband der bayerischen Bürger- und Landwehren, sowie das Bedürfnis gegenüber der Genehmigungsbehörde erbracht werden, dass wir unser vorhandenes Schießpulver auch einsetzen. Natürlich besitzt jedes Vereinsmitglied einen dementsprechenden „Schwarzpulverschein“. Die Überwachung und Bescheinigungen unterliegen dem Sprengstoffgesetz. Wir schießen bei unserem internen Vereinsschießen aus fünfzig Metern Entfernung in freistehender, freihändiger Position – was manchmal zielsicherer oder weniger zielsicher gelingt“, erklärt Sergeant Reinhard Schmid schmunzelnd.

Gut aufgestellt

Die bayerischen Bürger- und Landwehren gruppieren sich in einem Landesverband mit Sitz in Störnstein. Oberst Jürgen Völkl ist der amtierende Landeshauptmann des Verbandes. Insgesamt sind in Bayern rund 20 Landwehren gelistet. Von einer militärischen Reservemannschaft kann jedoch nicht die Rede sein. „Unsere Prämisse ist es, eine längst vergangene Zeit in die Gegenwart zu spiegeln und die einstigen „Helden“ zu repräsentieren“, lässt uns Kommandant Fukerider wissen. An Schauplätzen und öffentlichen Auftritten mangelt es der Kompanie nicht. „Wir nehmen zum Beispiel an historischen Festzügen teil, sind an den bayerischen Bürgerwehrtreffen vertreten und reisten 2002 sogar für eine Festlichkeit nach Südtirol. Unvergesslich für uns war auch im Jahr 2006 die Reise nach München, als wir in der Residenz für die bayerische Staatsregierung die Ehrenkompanie anlässlich der Feierlichkeiten „200 Jahre Bayern“ bilden durften. Ich glaube, dass es keiner von uns jemals vergessen wird, wie der spanische König oder der Bundespräsident durch unser Spalier schritten“, schildert Herrmann Schmid die beeindruckenden Erlebnisse. „Für immer im Gedächtnis bleibt auch unser großer Auftritt im Jahr 1986, als wir bei unserem damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker salutschießen durften. 

Als 1996 Erzherzog Albrecht von Bayern starb, nahm unsere Ehrenkompanie ebenfalls an der Trauerfeier in der Münchner Theatinerkirche teil, um als Ehrerweisung mit unserer historischen Fahne Spalier zu stehen. Umgeben vom europäischen Hochadel, war dieser Anlass für uns alle ein denkwürdiges und einmaliges Ereignis“, ergänzt Reinhard Schmid. Eines ist sicher: „Zielwasser“ hat die weiß-blaue Truppe nicht nötig, so treffsicher wie die Neustädter Bürgerwehr ist – aber die gute alte und neue Zeit hochleben zu lassen, schadet sicher nicht. Der Leitspruch der Bürgerwehren „Vom guten Alten das Beste erhalten, die Heimat hegen, Kameradschaft pflegen, den Herrgott ehren, ist das Ziel der Bürgerwehren“ prägt die Arbeit in und um die Neustädter Männer im blauen Rock!