Man könnte sagen, dass dieser Verein Treffpunkte kreiert: Kreationen für sanfte und laute Klänge, für fröhliches Lachen und andächtiges Lauschen. Ursprünglich wollte die kleine Gruppe nur den Abriss eines alten Gebäudes verhindern. Herausgekommen ist ein Zusammenschluss von aktuell über 400 Gleichgesinnten. Sie schafften es, dass seinerzeit jeder Mauerstein auf dem anderen blieb und zugleich ganz viel neues Leben in ein altehrwürdiges Haus einzog.
„Wir müssen eine kleine Zeitreise zurück ins Jahr 1982 unternehmen. Damals sollte das sogenannte „Dostler-Haus“ abgerissen werden und an seiner Stelle sollten Parkplätze eingerichtet werden. Durch die optimale Lage des geschichts-trächtigen Gebäudes direkt neben dem Rathaus und gegenüber der Pfarrkirche wäre das sicherlich sehr praktisch gewesen – aber für viele Pressather ein unvorstellbares Unterfangen. So formierte sich in der Bevölkerung eine Gruppe, die ihre Stimme lauthals gegen das Vorhaben erhob. Der Abriss konnte schließlich erfolgreich verhindert werden und setzte zugleich den Grundstein für unseren Kulturkreis. Aus dieser Initiative heraus keimte die Idee auf, dass man das Objekt auch aktiv für kulturelle Begegnungen nutzen könnte. Viele von uns haben einen musischen Hintergrund, sind beispielsweise studierte Musiker, Künstler oder auch Literaturschaffende.
Zu jener Zeit gab es im gesamten „VierStädteDreieck“ – gemeint ist damit die Region zwischen Eschenbach, Grafenwöhr, Kirchenthumbach und Pressath – keinen einzigen Verein, der sich ausschließlich der Kultur annahm. Wir befanden uns quasi auf Brachland, dem wir neues Leben einhauchen wollten“, lässt uns Chorleiter Richard
Waldmann wissen.
Heute erinnert nichts mehr daran, dass dem „Dostler-Haus“ einst sein letztes Stündlein hätte schlagen sollen. Seitens der Stadt auf schönste Weise renoviert, beherbergt es jetzt den Sitzungssaal des Rathauses sowie die örtliche Bücherei und lädt zu diversen Veranstaltungen ein. Noch heute ist der Verein froh über seine erste gute Tat.
„Die neu entfachte Idee hinterließ bald tiefgründige Spuren. Wir begannen mit ersten kleineren Veranstaltungen. Da Richard Waldmann Musik studiert hatte, konnten wir seine guten Kontakte in die Musikszene nutzen und mit ausgesuchten Konzertreihen starten. Die Verbindungen zu Literaturschaffenden durch meinen Beruf als Buchhändler waren ebenso hilfreich, um Autorenlesungen und Buchvorstellungen zu präsentieren“, schildert Eckhard Bodner die anfänglichen Unternehmungen des Kulturvereins.
Besonders stolz ist Bodner, dass neben literarischen Größen wie Carl Amery, Bernhard Setzwein oder Hera Lind auch der Pressather Krimischriftsteller Horst Eckert jedes seiner Bücher beim Kulturkreis vorgestellt hat. Von Stillstand war nun nichts mehr zu spüren. Die Anhänger der Gemeinschaft hätten auf keine bessere Weise „Staub aufwirbeln“ können. Ihr Aktionismus und das zunehmend breitgefächert werdende Kulturprogramm bereicherte die Stadt und war auch bald über deren Grenzen hinweg bekannt. Plötzlich war so vieles möglich: Fahrten zu Theateraufführungen und Musicals oder sogar Opernreisen nach Verona – die klingenden Geister, die man rief, waren geweckt. Als heimlicher Star und erster Vorsitzender des Vereins machte sich zwischenzeitlich Franz Schupfner einen besonderen Namen. Mit seiner geschulten Tenorstimme verwandelte er regelmäßig die Bühne, nicht nur in Pressath, zu seiner eigenen.
Publikum zeitweilig suchen muss, ist den Verantwortlichen bewusst. „Wir fühlen uns eher in der Verantwortung was die künstlerische Qualität betrifft, als aus vordergründig finanziellen Aspekten den Mainstream zu bedienen, was aber bei Leibe keine Einbahnstraßen-Kultur bedeutet. Es war und bleibt unser Bestreben, den Gästen ein breitgefächertes Programm zu bieten, um entspannen, genießen und natürlich auch davon erzählen zu können. Schlussendlich lebt unser Kulturverein davon, von „Mund zu Mund“ weiterempfohlen zu werden. Vollbesetzte Stühle sind für jeden Künstler schöner anzusehen als leere“, wirft Eckhard Bodner ein.
Auch junge, in die Heimat zurückkehrende Studenten und Schüler der örtlichen Musikschulen haben durch uns die Möglichkeit, erste Bühnenluft zu schnuppern und Erfahrungen zu sammeln. Engagiert arbeitet der Kulturverein auch mit Schulen zusammen. So produzierte er unter anderem gemeinsam mit Kindern ein „Steinzeit-Musical“ und fördert das Projekt „Jugend musiziert“. Für seine Arbeit wurde der Kulturkreis bereits mit dem „Kulturpreis des Landkreises“ ausgezeichnet. Weil gemeinsames Handeln und Wirken in den meisten Fällen am schönsten ist, kooperiert der Verein auch mit anderen Organisationen, wie z.B. der Chorgemeinschaft Sankt Georg Pressath dem Kulturtreff Kastl oder Vereinen im westlichen Landkreis.
„Eine besondere Zusammenarbeit fand mit dem Ehepaar Langhammer aus Pressath statt. Das Künstlerpaar, Bildhauer und Malerin, stellten uns 1995 Exponate für eine Ausstellung in allen Räumlichkeiten des „Dostler-Hauses“ zur Verfügung“, verweist Jochen Sertl, langjähriger zweiter Vorsitzender, auf das gelungene Event. 2020 folgte eine aufwändige Vernissage der Langhammers auf der historischen Pressather Vestn. Ingrid Bollin, eine „Zougroiste“ (Zugereiste) aus der Großstadt, kann nur nickend zustimmen. Sie erinnert sich an ihren Umzug aufs Land mit einem ersten guten Eindruck, den ihr das vielfältige Angebot des Kulturvereins vermittelte.
Ein besonderer optischer Hingucker ist das sogenannte „Pressather Fähnlein“ allemal und außerdem ein interessantes sowie bekanntes Aushängeschild des Kulturkreises. Im Jahr 1995 feierte Pressath sein 150-jähriges Jubiläum zur Stadterhebung. Alle Vereine wurden damals aufgerufen, etwas zu diesem Feieranlass beizutragen. „Wir durften uns dem „Fähnlein“ widmen. Daraufhin haben wir uns intensiv mit seiner Historie vertraut gemacht. Die umfangreichsten Dokumente über die ehemalige Bürgerwehr, die man „Fähnlein“ nannte, lassen sich kurz vor der Zeit der Bauernkriege um das Jahr 1517 finden. Im Auftrag ihres Landesherren diente diese zur Landesverteidigung. Um die einhundert Männer gehörten seinerzeit der mutigen Truppe an. Heute stellt das „Fähnlein“ eine Art eigenständige Unterabteilung unseres Vereins dar. Dass wir uns bei den Auftritten authentisch mit historischer Gewandung zeigen, ist selbstverständlich Ehrensache“, gibt Eckhard Bodner stolz preis.
Der Kulturkreis Pressath und Umgebung e.V. hat dafür gesorgt, dass kulturelles Gut in Pressath ganz neue Wege einschlägt. Das dürfen sich die Mitglieder des Vereins in der Tat „auf ihre Fahne schreiben“.