„Mit 70 Jahren, da fängt
das Leben an!“ – So könnte man mit einem bekannten Song das Leben von Alfons Bösl umschreiben. Vor zehn Jahren startete der einst selbstständige Einzelhändler noch einmal in eine ganz andere Richtung neu durch.
„Sperr’ doch endlich mal deinen Laden zu!“
Ein Satz, der Alfons Bösl immer noch in den Ohren klingt und ihm von Ehefrau Karin mit besten Absichten nahegelegt wurde. „Alfons war damals siebzig Jahre alt und arbeitete täglich von früh morgens bis spät abends mit Unterstützung unserer Tochter Martina in unserem Edeka-Laderl“, erzählt die rüstige Geschäftsfrau. Für den Einzelhändler mit Herz und Seele war es dennoch mehr Hobby als Arbeit. Er liebte den Kontakt zu den Menschen und lebte für sein Tun. 2009 sperrte er schlussendlich das Geschäft zu und stieß mit seinen treuen Kunden auf die zurückliegenden Jahre an.
Wer rastet, der rostet
In der Tat war das Ehepaar Rasten nicht gewohnt. Wieder war es Gattin Karin, die gegen den befremdlichen Ruhestand das passende Rezept hatte: „Stell’ doch in die leeren Ladenregale deine Raritäten rein.“ Karin war sich bewusst, dass ihr Mann als Antiquitätensammler viel Freude an seiner „begehbaren Schatzkammer“ haben würde. Begeistert von der Idee verbrachte der Hüter alter Familienschätze über vier Wochen damit, seine Altertümer aufzufrischen, zu sortieren und zu beschriften. Die „Schatzkammer“ füllte sich schnell – kein Wunder. Der Vater des mittlerweile 81-Jährigen hatte einst 14 Geschwister, welche in ganz Bayern zu Hause waren und viele Erinnerungsstücke hinterließen. „Früher schmiss man nicht so viel weg wie heute“, erzählt Alfons und verbindet mit vielen alten Gegenständen lustige und schöne Erinnerungen.
Historischer Geburtstag
Für den Antiquitätensammler war die Feier seines Geburtstages quasi auch die Geburtsstunde seines privaten Museums. „Alfons, das musst du den Leuten zeigen!“ oder „Solche Raritäten kennt heute keiner mehr!“, lauteten die Aussagen aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis. Seine Gäste waren von dem riesigen Fundus begeistert und überzeugten den Jubilar, sein persönliches „Heimatmuseum“ für die Allgemeinheit zugänglich zu machen. Bald darauf beim Bürgerfest nutzten über 600 Interessierte die Möglichkeit, Alfons` historische Andenken zu bestaunen. Fortan überließen immer wieder private Haushalte Alfons ihre Erbstücke, um sie in guten Händen zu wissen. Auch eine „Kaltenbrunner Ecke“ ist zu bewundern. Hier kann man die von Alfons eigens erstellte, fünf Bände umfassende Heimatchronik oder einen 300 Jahre zurückreichenden Stammbaum einsehen und auch die Entwicklung des Ortes mittels 70 verschiedener Kaltenbrunner Ansichtskarten verfolgen. Natürlich darf auch die berühmt-berüchtigte Flasche Kümmel-Likör im Sammelsurium nicht fehlen. Die Bösls kauften ihn seinerzeit ballonweise ein, füllten ihn in Flaschen zum Verkauf um und schenkten ihn „stamperlweise“ aus. Alfons muss heute noch hellauf lachen, wenn er von der einstigen Nachbarin erzählt: „Täglich kam die liebe Frau mit einer Kaffeetasse zu mir in den Laden und ich sollte Salatöl einfüllen. Was allerdings wie Öl hinunterlief, waren in Wirklichkeit die drei Stamperln Schnaps im Pott. Die Tasse leerte sich dreimal täglich und die Nachbarin verschlief den Rest des Tages immer hinter dem Misthaufen.“
Schwarze Madonna und schwarze Getränke
Eines seiner Lieblingsstücke ist die schwarze Madonna, die ihn ein Nachbar überließ. Vor langer Zeit übergab ein Freund Alfons die Figur für einen Kasten Bier als Gegenleistung. Dass die Mutter Gottes vormals einer Amerikanerin gehörte, welche wieder in die Heimat zurückkehrte, ist dem Sammler bekannt. Wo heute Fundstücke die Regale füllen, fühlte sich noch zu Ladenzeiten auch eine Gruppe von 15 Stammgästen besonders heimelig. „Wir hatten immer den sogenannten „Cola-Trupp“ zu Gast. Pünktlich um 12 Uhr schenkten wir dann 0,2-Liter-Fläschchen Cola aus, was damals echt ein Tageshöhepunkt war“, erinnert sich Karin Bösl schmunzelnd an alte Zeiten zurück.
Erste Liebe und Facebook-Beziehungen
Wenn zwei zusammengehören, kann es ein Dritter nicht trennen. Die damals 14-jährige Karin, deren Familie aus Schlesien vertrieben wurde, begann eine Lehre bei den Bösls. Obwohl für Alfons schon betuchtere Heiratskandidatinnen seitens der Eltern vorgesehen waren, verliebte sich der Kaufmann in Karins Frohnatur, heiratete sie und liebt sie seither sein Leben lang. Aber auch modernen Facebook-Beziehungen steht der 81-Jährige nebenher ganz offen gegenüber – so pflegt er die Beziehung zu ausgewanderten Kaltenbrunnern und einer alten Freundin, die nun in Amerika wohnt und sich so auf dem Laufenden hält, was in der alten Heimat vor sich geht. Die alten Schätze gehen erfreulicherweise einer staublosen Zukunft entgegen, denn eine der zwei Töchter könnte sich gut vorstellen, einmal mit einem Museumskaffee für die Weiterbelebung zu sorgen. Bis dahin hütet aber der Vater mit wertschätzendem Herzen alle kleinen und großen Zeitzeugen vergangener Jahre.