Friedliche Stille, eine traumhafte und weite Landschaft und einzigartige Ausblicke über Hügel in die weite nordoberpfälzer Landschaft – Kalmreuth in der Nähe von Floß bietet aber weitaus mehr als ein gewöhnliches Dorf in der nördlichen Oberpfalz.
Wir schauen genauer hin: Kunst und Kultur haben hier mit der im Mai 2006 eröffneten „Kulturwerkstatt“ ein Refugium gefunden, das inzwischen weit über die Grenzen des Landkreises hinaus bekannt und beliebt ist und beachtet wird.
Das Projekt von Irene und Werner Fritz ist ein Raum für Experimente, ein „künstlerisches Kreativlabor“. Es bietet für die Teilnehmer*innen im Alter von vier bis 80 Jahren „Mut zur Fantasie“ und trägt mit seinem „ABC der kulturellen Kompetenz“ zu einem „modernen, offenen Heimatbild“ bei. So skizziert die 1967 in Augsburg geborene Irene Fritz, Kunstpädagogin mit Staatsexamen in Kunsterziehung, freischaffende Malerin und Leiterin der „Kulturwerkstatt“, simpel das Grundkonzept der Einrichtung – was es in der Tat am besten umschreibt. Zusammen mit Werner Fritz, der als Kunsterzieher, selbstständiger Maler und Grafiker in Kalmreuth für den Bereich „Kunst und Handwerk“ zuständig ist, entstanden 2004 die ersten Ideen, das bis dato mit dem Weidener Internationalen Keramik-Museum umgesetzte erfolgreiche Projekt „Kinder im Museum“ auszubauen und sich als Jugendkunstschule mit eigenen Räumlichkeiten
selbstständig zu machen.
Umgesetzt wurde dabei das bewährte Prinzip vom Arbeiten und Wohnen an einem Ort. „Wir sind inzwischen ein fester Bestandteil der Marktgemeinde Floß und Kalmreuths geworden. Unser Projekt wird akzeptiert und wertgeschätzt“, weiß Werner Fritz. Auch zunächst vorhandene Berührungsängste sind im Laufe der Zeit weggefallen. „Nutzten früher oftmals nur Teilnehmer*innen aus Städten das Kursangebot, tun dies nun auch Leute aus Kalmreuth und der unmittelbaren Region“, so der freischaffende Maler.
Früher suchten hier die Kuhhirten Schutz, heute kann man hier durch kreatives Arbeiten zur Ruhe kommen und wieder zu sich selbst finden. Der Blick aus der „Kulturwerkstatt“ nach Westen auf den Parkstein unterstreicht das. Der Ausblick mutet so romantisch an, dass wir sogleich zum Landschaftsmaler werden möchten. Das ist aber auch leicht in dem lichterfüllten Bau. Schließlich stehen Staffeleien, Leinwände, Pinsel und Farben in Griffnähe bereit für Kurse und Workshops für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und ganze Familien. Auch anspruchsvolle Lesungen und Konzerte fanden hier schon statt. „Die Mischung war uns wichtig. Wir wollten hier unterschiedliche Perspektiven – Innenraum und Außenraum, Heimat und weite Welt – zusammenbringen und verwirklichen“, unterstreicht Irene Fritz.
Unterm Strich kam die „vielleicht ländlichste Kunstschule Bayerns“, wenn nicht gar Deutschlands, heraus. Diese hat sich zum wichtigen Ziel gesetzt, die große Bandbreite der Schönheit der Kunst zu erkennen und zu entdecken. „Denn jeder Mensch“, so Irene Fritz, „egal ob Kind oder Erwachsener, trägt Kreativität in sich. Sie muss nur zu Tage gebracht werden.“
Die Kalmreuther „Kulturwerkstatt“ fördert bildnerische und handwerkliche Fähigkeiten und stärkt die eigenen Ideen und ästhetischen Gestaltungswege der Teilnehmer. Zusammen mit dem „Kunstbau Weiden“, seit 2012 ein weiterer Standort der Jugendkunstschule, verknüpft sie die Angebote des ländlichen und städtischen Lebensraumes. Dabei bieten die Workshops, regelmäßige Ateliers und die Werkstätten, in denen mit Materialien wie Farben, Keramik, Metall, Holz, Leder, Papier oder Stein gearbeitet wird, kreativen Freiraum für alle Altersgruppen.
„Und beide haben die Sehnsucht, mit den eigenen Händen etwas zu machen, etwas zu erschaffen“, weiß Werner Fritz. So entstehe die Begeisterung und Faszination am Werk und am Material. Gerade in der heutigen Zeit, in der es durch das verminderte handwerkliche Angebot an Schulen immer schwieriger werde, diese zu zeigen, leiste die „Kulturwerkstatt“ einen wichtigen Beitrag. „Entscheidend für uns ist dabei, viele Sparten miteinander zu verbinden, neben dem Bereich der traditionellen Künste auch die Neuen Medien im Programm zu haben und den Heimatbegriff mit interkulturellen Themen zu verknüpfen“, ergänzt Irene Fritz.
In der freiwilligen und offenen Struktur eröffne sich Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen so neuer Spielraum, der den künstlerisch-kreativen „Workflow“ ermöglicht, in dem nicht Kontrolle, Druck und Leistung zählen, sondern der die Beschäftigung mit dem künstlerischen Material, und der eigene Wahrnehmungen zulasse. Begeisterung, Gemeinschaftsgefühl, Selbsttätigkeit und Selbstvergessenheit würden durch das breitgefächerte Angebot der „Kulturwerkstatt“ erreicht. Das umfasst die sogenannten „Basics“, wie die Wochenangebote „Kinderkurs“ oder „Ton- und Werk-Gruppe“, die Einzel- und die Ganztages-Kurse oder die Besonderheiten wie die zuletzt in Kooperation mit den Vereinigten Sparkassen angebotene Veranstaltung „Wertpapiere“. Nicht zu vergessen sei die regelmäßige Zusammenarbeit mit einer Partnerkunstschule im tschechischen Domažlice. „Alles greift dabei ineinander. Wir sind inzwischen bundesweit gut vernetzt“, freut sich die Kunstpädagogin, die stolz auf das bisher Erreichte ist, aber auch konkrete Wünsche für die weitere Zukunft der „Kulturwerkstatt“ hat. „Wir möchten, dass unser Projekt uns überdauern wird und es finanziell und organisatorisch abgesichert ist.“ Es solle ein nachhaltiges Konzept sein, das der Stadt Weiden und dem Landkreis Neustadt an der Waldnaab erhalten bleibe. Der erste Schritt dazu wurde im Oktober mit der Gründung einer gemeinnützigen GmbH bereits getan. Weitere sollen folgen. Nicht zuletzt wegen der positiven Auswirkungen der Kunst auf die Gesellschaft: „Kunst mache“, so Irene und Werner Fritz unisono, „die Menschen flexibel, baue Vorurteile ab und schaffe einen offenen Blick für die Welt.“ – weit über die Hügel Kalmreuths hinaus.