Wer kennt sie nicht, die schaurigen Geschichten aus der Zeit des späten Mittelalters, als kräuterkundige Frauen im sogenannten „Hexenfeuer“ verbrannt wurden. Heute darf Barbara Nickl quasi mit dem Feuer spielen, ohne sich darin die Hände zu verbrennen: Sie ist eine moderne Kräuterfrau der Neuzeit.
„Die Welt der Flora ist kein Geheimtipp, sondern eher ein offenes Buch. Wenn man es einmal aus dem Regal genommen hat, findet man es gut. Unsere Erde ist ein sehr machtvolles Wesen, das viele wertvolle Pflanzen gedeihen lässt. Jedes einzelne Gewächs hat seine eigene, fast magische Heilwirkung und Aufgabe. Wenn ich mich auf den Weg mache, um Kräuter und Blumen zu sammeln, dann möchte ich deren Energie und Kraft aus der Erde einfangen. Es können daraus Produkte entstehen, die einfach nur gut tun, auch für Seele und Geist“, gibt Barbara offenkundig preis.
„Wir haben im Laufe der Zeit vergessen, auf altes Therapeutikum zurückzugreifen. Während der Haushaltsauflösung meines verstorbenen Opas stieß ich zufällig auf Kräuterbücher mit Notizen meiner Oma, in denen ganz viel Wissen über Kräuterkunde und den Rhythmus von Mond und Natur stand. Beim Durchblättern der Seiten hat sich in mir eine Neugier und Leidenschaft dafür entwickelt, die mich seither nicht mehr loslässt. Heute gehe ich mit ganz offenen Augen durch unsere Gegend“, denkt Barbara zurück. Aus dieser Leidenschaft wurde letztendlich Wissenschaft. Die sympathische Reinhardsrietherin vertiefte im Jahr 2019 ihr angelesenes und selbst angeeignetes Können mit einer Ausbildung zur zertifizierten Kräuterführerin in der Klosterabtei Waldsassen. Dem nicht genug, absolvierte sie 2022 eine Ausbildung in Phytotherapie und eröffnete ihren eigenen Kräuterhof „Erdenkraft“.
„Ich war schon immer ein Mensch, der die Welt und ihre Geheimnisse entdecken möchte. Heute bin ich dankbar dafür, dass ich durch mein Studium in Ethnologie und Europäischer Ethnologie viele Eindrücke im Ausland sammeln konnte. Ich durfte Lebenswelten und Kulturen wie z.B. die der Mayas kennenlernen oder in Tirol mit schamanisch-systemischer Arbeit in Kontakt kommen. Es gibt mir ein ganz besonderes Wohlgefühl im Bauch, wenn man über den eigenen Tellerrand hinwegsieht. Im Kern meines Tuns steht immer das Bekenntnis zum schlichten Umgang mit der Natur. Es genügt oft eine ganz kleine Dosis aus deren Schatz, um eine große Wirkung zu erzielen“, erklärt die Weltenbummlerin.
Natürlich hat die „Naturfrau“ die passenden Antworten auf viele Fragen. Gerade jetzt drehen sich witterungsbedingt wieder unzählige Hilferufe um Halsschmerzen, schniefende Nasen und Hustenreiz. Mittels ihrer geführten Kräuterwanderungen durch die Region, der Kräuterkochkurse an der Volkshochschule, der Workshops und Messeausstellungen fasziniert sie wissbegierige Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Tipps und vielen handgemachten Produkten.
Auch wenn sich die Welt oft mit Ecken und Kanten zeigt, läuft es in Barbaras Kräuterküche rund. Die Pflanzen und Kräuter werden dort ganz nach Großmutters Art zu Salben oder Tinkturen verarbeitet. Seit vielen Generationen ist es uns möglich, aus der Natur Nutzen zu ziehen.
„Der schönste Moment während meiner Workshops sind immer die „Aha-Momente“. So auch kürzlich, als ich den überwiegend verhassten Giersch lobend hervorhob. Jeder ärgert sich, wenn diese stark wurzelnde Pflanze im eigenen Garten Einzug hält. Dabei könnte man sich glücklich schätzen, da sich Giersch wunderbar gegen Gelenkschmerzen und Arthrose einsetzen lässt. Wer hat heutzutage nicht mit Rücken- und Nackenschmerzen zu kämpfen? Auch in die persönliche Ernährung lassen sich Kräuter wunderbar integrieren. Nimmt man vor einer Mahlzeit zum Beispiel Bitterstoffe zu sich, hat man später weniger Heißhunger auf Süßes. Salate lassen sich ebenfalls gut mit Giersch, Spitzwegerich oder mit den kleinen Blättern des Löwenzahns ergänzen. Anders als oft behauptet, ist der milchige Saft des Löwenzahns keinesfalls giftig. Er kann lediglich auf empfindlicher Haut unter Sonneneinstrahlung eine Reizung verursachen, die auch als „Wiesen-Dermatitis“ bekannt ist.
Regional lassen sich sehr viel Johanniskraut, Huflattich, wildes Stiefmütterchen, Duftveilchen, Ringelblume, Schafgabe, Feldthymian und weitere Kräuter finden. Die Auswahl ist nach wie vor groß, wenn man sich darauf einlässt. Durch die „Hexenverbrennungen“ ist jedoch leider viel Wissen über die Naturheilkunde verloren gegangen, die von etlichen Völkergruppen auf anderen Kontinenten noch wesentlich aktiver und vertrauter praktiziert wird. In Indien würzt man z.B. viel intensiver als bei uns, was oft der Gesundheit und Vitalität zugutekommt. Letztendlich sollten wir alle mehr mit dem Rhythmus der Natur leben. Im Winter auf Hochtouren zu arbeiten, widerstrebt eigentlich dem Takt der biologischen inneren Uhr. Die Natur ruht in den kalten dunklen Monaten, die Tierwelt hält oft Winterschlaf. Erst im Frühjahr und im Sommer erwacht das meiste wieder zum Leben“, gibt Barbara nachdenklich Einblick in ihr Tun und Denken.
Wir hoffen, dass für sämtliche Unannehmlichkeiten fortwährend ein Kraut gewachsen ist und sich Barbara Nickl ihre besondere Sensibilität für die Welt der Natur bewahren kann.