Das dichte Gebüsch ist gewichen, die vielen Bäume größtenteils gerodet. Die „wahren Goldschätze“ von Luhe kommen nun endlich zum Vorschein. Wir gehen sprichwörtlich in den Untergrund: Feste Wanderstiefel und Taschenlampen gehören seit August 2019 endgültig der Vergangenheit an.
Mit der offiziellen Eröffnung der drei uralten Bierkeller am Koppelberg hat die Gemeinde ein kulturelles Kleinod revitalisiert, hat sie zu einem Teil der „Zoigl-Landschaft nördliche Oberpfalz“ gemacht und für die Nachwelt gerettet.
„Luhe-Wildenau ist um eine – auch touristische – Attraktion reicher“, erklären Bürgermeister Sebastian Hartl, sein Vorgänger Dr. Karl-Heinz Preißer und Astrid Locke-Paul, die sich als Geopark-Rangerin seit einigen Jahren intensiv um die Bierkeller kümmert und sich für deren Erhalt einsetzt. Die in einem Lageplan als Keller 4, 8 und 9 nummerierten unterirdischen Gewölbe – historische Bierkeller in früherer Funktion und im Eigentum des Marktes befindlich – sind nach umfangreichen Sanierungs- und Sicherungsmaßnahmen wieder begehbar. Mit neu geschaffen wurde neben dem fußläufigen Aufstieg nahe den drei jetzt eröffneten Kellern der Platz „Zoiglforum“, der für eine gemütliche Feier oder als Rastplatz für die Wallfahrer zur Koppelberg-Kirche dient.
In die gemeindegeschichtliche und in die erdgeschichtliche. Doch der zeitgemäßen Reihe nach! Wir blicken zunächst rund 400 Millionen Jahre zurück. Dort, wo sich heute die Ortschaft Luhe befindet, stießen im Erdaltertum zwei Kontinente zusammen. Durch gewaltige unterirdische magmatische und geologische Prozesse und durch die sich anschließende Erosion entstand der rötlich schimmernde „Luher Granit“. Dieser unterscheidet sich vom Flossenbürger und Leuchtenberger Granitgestein nicht nur in seiner Farbe, sondern auch in seiner Konsistenz. Er ist weicher, bedingt dadurch, dass er seit rund 320 Millionen Jahren an der Oberfläche liegend, weitaus länger den Umwelteinflüssen aus Verwitterung und Abtragung ausgesetzt war. „Granit ist halt nicht gleich Granit“, klärt Astrid Locke-Paul auf. Hinzu kommt, dass sich Luhe an einer Störungszone am Rand des Naab-Gebirges befindet, die tief in die Erde hineinreicht. Innerhalb dieser Zonen hatten sich die Gesteinsschichten im Laufe der Jahrmillionen immer wieder verschoben. „Das hinterlässt Spuren“, sagt die Geopark-Rangerin und streicht über eine Stelle, auf der sich die Gesteinsschichten treffen. Solche Bewegungszonen im Gestein gibt es auch hier im Kleinen: Das Gestein ist zerbrochen und zerborsten, manche Brocken wurden sogar quer gestellt. Das sei einzigartig, nicht einmal die Sandkeller in Schwandorf könnten damit punkten – so einzigartig, dass sogar die Technische Universität (TU) München die Luher Bierkeller regelmäßig besucht und dort Untersuchungen durchführt.
Wir gehen knapp 600 Jahre zurück ins Spätmittelalter, zu den Anfängen des Bierbrauens in Luhe, das nachweislich erstmals im Jahre 1420 urkundlich erwähnt wurde. Am 17. März 1420 wurde anlässlich eines Erbstreites erstmals von einem „Bräuhaus“ gesprochen, das sich zunächst in Privatbesitz befand und später auf die Kommune überging. Im Jahr 1601 wurden in Luhe 551 Hektoliter gebraut, am 29. August 1756 wurden bei einem kirchlichen Fest für die Gläubigen 4000 Maß des edlen Gerstensaftes bereitgestellt. „Es gab bei uns in der Gemeinde 40 Anwesen, die allesamt das Braurecht hatten. Zwölf davon hatten ihre Keller am Koppelberg“, berichtet Bgm. a. D. Dr. Preißer. Das Ende des Brauwesens folgte erst im Jahr 1945, was mit dem Verkauf des mittlerweile nutzlos gewordenen Kommun-Brauhauses durch die verbliebenen Kompagnons an einen gewissen Josef Frimberger besiegelt wurde.
Die Brauer schlugen vor hunderten von Jahren ihre oftmals 40 Meter langen Gewölbe in den Koppelberg. Im hinteren Bereich sind sie gemauert und dadurch auch stabiler. In den Wänden gibt es Nischen, die als Kerzenhalter dienten. Der Länge nach hat der Boden zwei Stufen. Auf der höheren wurden Waren gelagert, vor allem Bier und Kartoffeln, auf der niedrigeren Ebene das Eis, das die Lebensmittel bei konstanten sechs bis acht Grad kühlen sollte. „Damit Getränke und Essen nicht im Wasser standen“, erklärt Astrid Locke-Paul. Das Eis wurde von den Leuten aus der im Winter zugefrorenen Naab und der Luhe geholt. Nach hinten werden die Keller höher, damit das geschmolzene Eis nach unten den Berg hinab ablaufen konnte. Weil deren Erbauer zudem damals wussten, dass Bäume ihren Gewölben schaden würden, war der Bergrücken, unter dem sich die Keller befinden, kahl. Kein Baum, kein Strauch blühte dort. Erst nachdem sie nicht mehr genutzt wurden, eroberte sich die Natur ihren Raum zurück – mit Folgen für die Revitalisierung der Keller, die sich dadurch aufwändiger gestaltete.
Doch diese lohnte sich: Die Gewölbe der drei sanierten Keller sind heute gut ausgeleuchtet. Sie bieten ein einmaliges Farbenspiel, in dem Grau- und Rottöne ineinander übergehen. Die Wände sind marmoriert, tauchen das Licht in eine angenehme Atmosphäre. „Ohne das Engagement unserer örtlichen Vereine, wie dem OWV, den LBV oder „LuhKulTour“ wäre ein Erhalt der Keller nicht möglich gewesen“, lobt Dr. Preißer deren Einsatz.
Dank der finanziellen Hilfe aus dem sogenannten „LEADER-Projekt“ der Europäischen Union (EU) sind in den letzten zwei Jahren drei der ursprünglich zwölf Bierkeller am Koppelberg zugänglich gemacht geworden. Die Kosten beliefen sich auf rund 130.000 Euro, rund 40 Prozent wurden dabei gefördert. Der Eröffnung waren umfangreiche Gespräche und Vorbereitungen in Kooperation mit dem Architekten Josef Schöberl, dem Bergamt der oberfränkischen Regierung, dem Kontinentalen Tiefbohrprogramm KTB in Windischeschenbach und dem Landkreis Neustadt an der Waldnaab vorausgegangen. Da wurde dann in Fachberichten beispielsweise davon gesprochen, dass ein „unausgebauter Kellergang auf ganzer Länge zu berauben ist“ oder „ein größerer Mundlochbereich standsicher anzuböschen ist“, worunter der Experte den Kellereingang versteht. Auch wurden in die drei Keller Stromleitungen verlegt, die es ermöglichen, per Handgriff durch das Absperrgitter das Licht einzuschalten und somit ohne direkte Begehung einen Blick in den Kellerbau werfen zu können. Außerdem wurde dafür gesorgt, dass Oberflächenwasser künftig nicht mehr in die Keller gelangen kann.
Wie das Beispiel in Schwandorf zeigt, wo die Felsenkeller fest im Stadtgeschehen integriert sind, sollen auch die Luher Keller künftig auf vielfältige Weise genutzt werden. Eine Premiere gab es bereits bei der wiederbelebten Fußwallfahrt von Michldorf auf den Koppelberg. Der Verein „LuhKulTour“ lud dabei die beiden pilgernden Pfarrgemeinden zu einer Zoigl-Brotzeit auf der neu geschaffenen Plattform vor den Bierkellern ein – Besichtigung inklusive. „Vorstellbar sind in Zukunft beispielsweise ein Weihnachtsmarkt, Braukurse und Führungen für Schulen“, so Bürgermeister Sebastian Hartl. „Die Bierkeller am Koppelberg sind gelebte Geschichte und sollen auch bei uns stärker einbezogen werden“, so das Gemeindeoberhaupt.